08.02.2012

Photovoltaik: Brandgefahr

Eine Million Solaranlagen erzeugen Strom auf deutschen Dächern. Doch der Strom birgt auch eine Gefahr.

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Eine Million Solaranlagen erzeugen Strom auf deutschen Dächern. Doch der Strom birgt auch eine Gefahr: Schon kleinste Schäden wie Montagepfusch oder wetterbedingte Abnutzung können unter Umständen einen Brand auslösen.

Wir besuchen Familie Nagel in Theenhausen nahe Gütersloh. Auf ihrem Hausdach hat sich vor gut einem Dreivierteljahr Erstaunliches abgespielt, wie Markus Nagel berichtet: „Die Photovoltaikanlage hat wohl Feuer gefangen, die Module haben in Flammen gestanden.“ In wenigen Minuten war die Anlage komplett niedergebrannt. Der Dachstuhl fing Feuer und die Mansardenwohnung war für Wochen unbewohnbar. Welches technische Detail der Anlage sich entzündet hatte, konnte aufgrund der starken Zerstörung nicht mehr eindeutig geklärt werden. Die Versicherung übernahm den Schaden.

Entzündungsgefahr

Im Internet stoßen wir nach intensiver Suche auf weitere Brandberichte von Polizei, Feuerwehr und Lokalzeitungen. Als Brandursachen werden technische Defekte in den Photovoltaikanlagen genannt. Ein bislang unterschätztes Problem, das mehr und mehr auftritt. Doch wie können sich Photovoltaikanlagen selbst entzünden?

Wir begleiten Erhard Wagner und Norbert Gunzelmann. Sie wollen ein Solardach in Erding bei München auf mögliche Schwachstellen untersuchen, die später einmal einen Brand auslösen könnten. Dazu wird Norbert Gunzelmann die einzelnen Module mit einer Wärmebildkamera scannen, denn potenzielle Brandherde sind oft mit bloßem Auge nicht erkennbar. Sie zeigen aber schon im frühen Stadium eine deutliche Erwärmung, die als weiße Flecken kenntlich ist. Norbert Gunzelmann hat bisher noch auf jeder untersuchten Photovoltaikanlage Auffälligkeiten entdeckt. Modul für Modul geht der öffentlich bestellte Gutachter Erhard Wagner mit seinem Kollegen durch und prüft auf Schäden. Diese können lange schlummern, bis sich aufgrund der hohen Spannung von bis zu 1.000 Volt die Anlage irgendwann selbst entzünden kann.

Brandursache kann ein defektes Modul sein, das dann ausbrennt, Kleintierbisse wie zum Beispiel Marderbisse oder, wie wir an der Anlage jetzt gesehen haben, Leitungsaufschabungen. Dadurch entsteht dann als Brandursache ein Zündfunken. Der breitet sich dann auf die weiteren brennbaren Teile der Anlage aus“, erklärt der Schiedsgutachter für Elektrotechnik Erhard Wagner.

An den Unterseiten der Module verlaufen die Leitungen. Gefährlich können zum Beispiel schlechte Steckverbindungen oder frei schwingende Kabel werden. „Durch äußere Einflüsse, zum Beispiel Wind, können die Leitungen hier aufschaben und die Isolierung beschädigt werden, und mit Beschädigung der Isolierung kann hier Brand entstehen“, warnt Erhard Wagner.

Erforschung des Problems

Doch was passiert im Detail, wenn zum Beispiel ein Kabel unterbrochen wird? Wir bekommen von der Siemens AG Filme, die im Testlabor mit einer Highspeed-Kamera aufgenommen wurden. Bei Gleichspannung fließt der Strom weiter, sucht sich an der unterbrochenen Stelle einen Weg zum anderen Pol, springt quasi über und bildet dabei einen sogenannten Lichtbogen. Der ist rund 5.000 Grad heiß und kann über Stunden bestehen bleiben.

Im Solarprüfzentrum des TÜV Rheinland soll die Alterung von Photovoltaikanlagen nachgeahmt werden. Die Module kommen dazu zum Beispiel in die Klimakammer und werden unzählige Male hintereinander aufgeheizt und gefrostet. Sie müssen verschiedene Stresstests durchlaufen und werden damit künstlich sieben bis zehn Jahre älter gemacht. Auch Schneelast und Winddruck mit 240 Kilogramm pro Quadratmeter werden simuliert. So will der TÜV analysieren, ob und wann Kontakte reißen, wie und wo Ströme weiter fließen und die gefährlichen Lichtbögen auftreten können.

Wir wollten vom Bundesverband Solarwirtschaft wissen, wie man die Probleme in den Griff bekommen will und warum bislang noch keine Lösung entwickelt wurde. Zu einem Interview war der Lobbyverband nicht bereit. Schriftlich ließ man uns wissen: „Ihre Frage unterstellt, dass es eine erhöhte Brandgefahr gibt. Diese Auffassung teilen wir nicht.

Probleme bei der Montage

Elektromeister Günter Franke ist Solaranlagenbauer und Sachverständiger für Photovoltaik. Er bildet andere Sachverständige aus und meint, das Probleme fange bereits bei der Montage an: „Nach der momentanen Rechtslage darf jeder diese Photovoltaikanlagen montieren, ohne die Regeln genau zu kennen. Es wird nicht abgeprüft, ob derjenige, der es baut, auch weiß, was er da tut.“ Günter Franke schätzt, dass circa 80 Prozent der heute montierten Photovoltaikanlagen nicht den Vorschriften entsprechen. So sind mit der Zeit auftretende Defekte und damit auch mögliche Brandgefahren programmiert.

Regelmäßige Kontrollen Fehlanzeige

Regelmäßige Überprüfungen der Anlagen durch Fachleute könnten das Problem minimieren. Doch lediglich eine berufsgenossenschaftliche Vorschrift verpflichtet theoretisch den Monteur zur Prüfung. „In der Praxis wird darauf sehr gerne und häufig verzichtet, einfach aus Profitgier oder um Euros zu sparen und natürlich auch aus Unwissenheit, weil der Installateur dem Kunden die Notwendigkeit der regelmäßigen Prüfungen nicht mitgeteilt hat.

Solche Überprüfungen würden viel Geld kosten und die Rendite der subventionierten Anlagen meist zunichtemachen. Das Modell Solarstrom stünde infrage. Zudem würden Regelverstöße in der Praxis weder verfolgt noch geahndet, so Günter Franke.

Wir fragen beim Bundesbauministerium an, wie man den Missstand beheben will. Das Ministerium verweist auf die Länderbehörden. Da landen wir wieder bei den bisherigen Regeln und die helfen Familien wie den Nagels nicht weiter.

Quelle: WDR
Link: http://www.wdr.de/tv/markt/sendungsbeitraege/2012/0206/03_photovoltaik.jsp?startMedium=541937&startPicture=/bilder/mediendb/markt/Bilder/2012/kw06/120206_markt_photo.jpg&dslSrc=rtmp://gffstream.fcod.llnwd.net/a792/e2/mediendb/markt/video/2012/0206/120206_markt_web-m.mp4&overlayPic=/tv/markt/codebase/img/overlay_video.png&offset=1391&red=fsstd-tv%2Fmarkt&base=/tv/markt/codebase/video/&isdnSrc=rtmp://gffstream.fcod.llnwd.net/a792/e2/mediendb/markt/video/2012/0206/120206_markt_web-s.mp4&vtCaptionsURL=&vtCaptionsWidth=400&vtCaptionsURL=&vtCaptionsWidth=400