08.08.2012

Photovoltaik nach Vorbild der pflanzlichen Fotosynthese

Ein Bericht über die Entwicklungen und Marktpotenziale von farbstoffsensibilisierten Solarzellen.

Die Technologie, die momentan hauptsächlich für die Photovoltaik (PV) eingesetzt wird, basiert auf Silizium. Dies kann sich in Zukunft jedoch, auch aufgrund einiger Schwächen dieser Technologie, durchaus ändern. Ron Vaanholt und Hannah Bürckstümmer berichten über Entwicklungen und Marktpotenziale von farbstoffsensibilisierten Solarzellen.

Mit der Siliziumtechnologie werden bei einer langen Lebensdauer nach wie vor die höchsten Effizienzen erreicht, vorausgesetzt, die Anordnung der Module ist optimal. Eine Abweichung der optimalen Ausrichtung zur Sonne führt zu einer signifikanten Reduktion der Stromerzeugung. Gleiches gilt für erhöhte Temperaturen, indirektes Licht oder partielle Verschattungen des Moduls. Des Weiteren sind diese Module nicht transparent. Es gibt in der Dünnschicht-PV (Photovoltaik)-Technologie quasi-transparente Module, die aber zur Reduktion der fotoaktiven Fläche und damit der erzeugten Strommenge führen. Gerade diese Beschränkungen der Silizium- und Dünnschicht-PV-Technologie öffnen Marktchancen zur Entwicklung von PV-Technologien der dritten Generation.

Farbstoffsensibilisierte Solarzelle

Eine dieser Technologien wurde von der natürlichen Fotosynthese inspiriert. Mitte der 80er-Jahre untersuchte Michael Grätzel dieses Phänomen ausführlich und entwickelte eine darauf basierende Solarzelle. Heute wird diese PV-Zelle als farbstoffsensibilisierte Solarzelle (FSZ) oder kurz „Grätzel-Zelle“ bezeichnet. Michael Grätzel ist Ordinarius für physikalische Chemie an der ETH Lausanne in der Schweiz und leitet dort das Laboratorium für Photonik und Grenzflächen. Wie in der Fotosynthese spielt hier ein Farbstoff die entscheidende Rolle bei der Umwandlung von Lichtenergie in Strom. Durch Absorption eines Photons wird der Farbstoff energetisch angeregt und kann ein Elektron an eine mesoporöse, nanokristalline Titandioxidschicht abgeben. Mithilfe einer leitfähigen und transparenten Elektrode wird das Elektron zum Verbraucher geführt. Nach getaner elektrischer Arbeit wandert das Elektron dann vom Verbraucher weiter zur leitfähigen Gegenelektrode. Dort wird es an ein Redoxsystem übertragen. Über Diffusion wandert das Elektron in Form des Redoxsystems durch den Elektrolyten, um schließlich den oxidierten Farbstoff zu regenerieren. Diese Technologie ist sowohl mit starren als auch flexiblen Substraten umsetzbar. Im Gegensatz zur Siliziumsolarzelle ist bei dieser Technologie die Energieumwandlung auch bei niedrigen Licht intensitäten oder diffusem Licht vergleichsweise effizient. Gerade diese Eigenschaft eröffnet neue Geschäftspotenziale für Anwendungen, bei denen die klassische siliziumbasierte Technologie nicht einsetzbar ist. Aufgrund der Eigenschaft, so viel Lichtenergie wie möglich unter verschiedensten Bedingungen in Strom umzuwandeln, hat die FSZ-Technologie das Potenzial, ein breites Spektrum an unterschiedlichen Marktsegmenten abzudecken. Deshalb bietet die FSZ-Technologie eine ideale Möglichkeit, komplementär zu den bereits etablierten PV-Technologien eingesetzt zu werden.

Unterschiedliche Märkte

Die Märkte für die FSZ-Technologie können in „Indoor-“ und „Outdoor-Anwendungen“ eingeteilt werden. Bei den Indoor-Anwendungen ist es vor allem wichtig, bei geringen Lichtintensitäten Strom erzeugen zu können. FSZ-Elemente auf elektronischen Geräten mit geringem Stromverbrauch wie zum Beispiel Fernbedienungen oder Uhren können trotz niedriger Lichtverhältnisse (rund 200 Lux als Minimum) ausreichend Licht in Energie umwandeln, um diese Verbraucher mit Strom zu versorgen. Dadurch kann auf klassische Batterien verzichtet werden und ein neues Design für diese Kleingeräte wird möglich. Für diese Anwendung ist eine Lebensdauer von 24 Monaten erforderlich, die von der derzeitigen Technologie bereits geboten wird. Erste Produkte in diesem Bereich sind schon heute kommerziell erhältlich. Im Outdoor-Bereich dagegen gelten Effizienz und Lebensdauer von Modulen als wichtige Kriterien für eine erfolgreiche Vermarktung der Technologie. Momentan sind mit der FSZ-Technologie Effizienzen von rund 30 bis 50 % der Silizium- oder Dünnschichttechnologie erreichbar. Doch auch im Outdoor-Bereich können durch eine Marktdifferenzierung die Bedürfnisse der verschiedenen Marktsegmente gezielt angesprochen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Sonneneinstrahlungen, die vom Breitengrad und einer unvorteilhaften Ausrichtung der vorhandenen Flächen abhängen, sind nicht alle Photovoltaiktechnologien uneingeschränkt geeignet. Gerade in Gegenden mit wenig Sonnenstunden oder für die PV-Funktionalisierung von Fassaden, die zum Beispiel Richtung Norden ausgerichtet sind, kommen die Stärken der FSZ-Technologie voll zum Tragen. Ähnliches gilt für Fenster, die sowohl als Designelemente eingesetzt werden als auch eine photovoltaische Funktionalität aufweisen sollen. Hinzu kommt, dass die derzeitige FSZ-Technologie, gemessen über einen längeren Zeitraum, gerade beim Einsatz an Fassaden mehr Strom erzeugen kann als hocheffiziente Silizium-Module mit Potenzial nach oben. Dies unterstreicht, dass nicht nur die Effizienz, sondern vielmehr die insgesamt erzeugte Strommenge ein wichtiges Kriterium darstellt. Obwohl es bereits einige Prototypen gibt, sind Module, basierend auf der FSZ-Technologie, noch nicht kommerziell erhältlich. Der Markt für die gebäudeintegrierte Photo voltaik (kurz BIPV) wird als einer der umsatzstärksten zukünftigen Wachstumsmärkte für die FSZ-Technologie gesehen.

Forschungen

Durch intensive Materialentwicklungen und ein wachsendes Verständnis der komplexen chemischen und physikalischen Prozesse, in denen verschiedene Komponenten zusammenwirken, werden in naher Zukunft weitere Effizienz- und Stabilitätssteigerungen erwartet. Gemeinsam mit anderen Partnern arbeitet Merck in seinen Forschungslaboren in Darmstadt und Japan an innovativen Elektrolytkomponenten und Systemen. Neben dem Farbstoff und dem Titanoxid gilt der Elektrolyt als wichtige Komponente im Gesamtsystem der FSZ-Technologie. Über die Zusammensetzung des Elektrolyten kann auf die Lebensdauer und die Effizienz der Photovoltaikzelle Einfluss genommen werden. Dabei spielt die Viskosität des Elektrolyten eine große Rolle. Je niedriger die Viskosität, desto höher die Diffusionsgeschwindigkeit des Red-ox-Paares und desto höher die Stromdichte. In vielen Zellen werden organische Lösemittel eingesetzt, um eine niedrige Viskosität und damit eine hohe Effizienz zu erreichen. Nachteile dieser Lösungsmittel sind jedoch der hohe Dampfdruck, der sich nachteilig auf die Lebensdauer auswirkt, und der geringe Flammpunkt, der ein Sicherheitsrisiko darstellt. Eine Alternative ist der Einsatz von nichtflüchtigen Medien wie zum Beispiel organischen Salzen. Diese Materialklasse ist ionisch aufgebaut, nicht entflammbar und besitzt über einen weiten Temperatur bereich einen vernachlässigbaren Dampfdruck. Aufgrund dieser Vorteile kann durch den Einsatz von organischen Salzen die Lebensdauer der Zelle gesteigert werden. Verschiedene Langzeitstabilitätstests von PV-Zellen mit Elektrolyten, basierend auf diesen Substanzen, weisen bis jetzt die längste Lebensdauer auf.

Quelle: η green
Link: http://www.etagreen.com/archive/107,441740/Sonne/Photovoltaik-nach-Vorbild-der-pflanzlichen-Fotosynthese.html

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