28.10.2011
Bau von Solaranlagen künftig ohne Baugenehmigung
Sachsen: Solaranlagen an oder auf Gebäuden bis zu einer Höhe von zehn Metern benötigen, wenn sie außerhalb von Wohngebieten errichtet werden, keine Baugenehmigung mehr.Bau von Solar- und Windkraftanlagen in Sachsen künftig ohne Baugenehmigung
Energierechtler Prof. Maslaton hält Neuregelungen für Irrweg und rät zur Vorsicht
Der sächsische Landtag hat die sächsische Bauordnung geändert. Künftig benötigen Solaranlagen zur Wärme- und Stromerzeugung an oder auf Gebäuden sowie Windräder bis zu einer Höhe von zehn Metern und einem Rotordurchmesser von 3 Metern (sogenannte Kleinwindenergieanlagen), wenn sie außerhalb von Wohngebieten errichtet werden, keine Baugenehmigung mehr. Sie werden somit vom detaillierten Baugenehmigungsverfahren freigestellt. Ebenso freigestellt vom Einholen einer Baugenehmigung werden gebäudeunabhängige Solaranlagen (sogenannte Freiflächenanlagen), sofern sie eine Höhe von 3 Metern und eine Länge von 9 Metern nicht überschreiten.
Bei Solaranlagen auf Gebäudedächern können aufgeständerte Anlagen etwa auf Flachdächern im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen ebenfalls verfahrensfrei errichtet werden. Außerdem ist es künftig in Sachsen unerheblich, ob der von diesen Erneuerbare Energien-Anlagen erzeugte Strom bzw. die erzeugte Wärme dem Eigenverbrauch dient oder aber ins öffentliche Netz eingespeist wird. Für beide Anlagenarten gilt die neue Verfahrensfreistellung.
Die Änderung der sächsischen Bauordnung wird am 28. Oktober im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht und tritt damit zum Monatswechsel in Kraft.
Prof. Martin Maslaton, Professor für das Recht der Erneuerbaren Energien an der TU Chemnitz und der Bergakademie Freiberg und einer der führenden Verwaltungsjuristen in diesem besonderen Bereich, hält diese Entbürokratisierung für einen Irrweg: „Die Baugenehmigungserfordernis speziell für PV-Anlagen hätte man erhalten und materiell vereinfachen, aber nicht abschaffen sollen. Vordergründig ist eine Verfahrensfreiheit für den Bauherrn zwar formal der einfachste und sicherlich auch schnellste Weg für das Errichten einer PV-Anlage. Der Bauherr muss hier keinen Antrag auf Genehmigung stellen und kann direkt mit dem Bau beginnen. Bauvorlagen, Bauvorlagenberechtigungen oder Anzeigen müssen nicht eingereicht werden. Gleichzeitig bringt die Verfahrensfreiheit von PV-Anlagen jedoch für den Bauherrn bei genauerer Betrachtung gravierende Nachteile mit sich. So baut der Bauherr ohne die Schutzwirkungen einer erteilten Baugenehmigung auf eigenes Risiko.“
Die Verfahrensfreiheit eines Vorhabens wirkt sich lediglich auf die Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage aus. Die materiell-rechtlichen Anforderungen des Baurechts, wie z. B. des Bauplanungs-, Bauordnungs- und des Denkmalschutzrechts, müssen trotz Verfahrensfreiheit in jedem Fall eingehalten werden. Während die Einhaltung des materiellen Rechts in einem Baugenehmigungsverfahren einzelfallrechtlich geprüft wird, muss der Bauherr bei verfahrensfreien Vorhaben selbst auf die Einhaltung der materiellen Anforderungen achten. Schließlich kann noch Jahre nach der Errichtung der Anlage aufgrund von baurechtlichen Mängeln der Rückbau der Anlage drohen.
Damit unterliegt die Nutzung der verfahrensfreien PV-Anlagen einer massiven Rechtsunsicherheit. „Diese Problematik führt in der Praxis verstärkt zu Finanzierungsproblemen. Die neue Baugenehmigungsfreiheit ist daher gut gemeint, in der praktischen Umsetzung jedoch völlig unzureichend“, so Maslaton. „Besser wäre es gewesen, das Baugenehmigungsverfahren für Solaranlagen beizubehalten und mit einer sogenannten Typengenehmigung für PV-Anlagen zu koppeln. Dies wäre wesentlich effektiver und böte dem Bauherrn Rechtssicherheit. Diese Regelung habe ich auch im Januar bei einer Anhörung im Landtag den versammelten Parlamentariern ans Herz gelegt.“
Im Rahmen einer solchen Typengenehmigung erfolgte durch ein Prüfamt eine vorgelagerte Prüfung für die technischen Parameter eines Anlagentyps, die unabhängig vom konkreten Einzelfall stets gleich bleiben. Dies erleichtert die bauordnungsrechtliche Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der PV- Anlage, was eine Zeit- und Kosteneinsparung mit sich bringen würde. Gleichzeitig hielte der Bauherr eine bauaufsichtsrechtliche Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit seines Vorhabens mitsamt der sich daraus ergebenden Rechtssicherheit in den Händen.
Da sich der Landesgesetzgeber nun dennoch die einfache Verfahrensfreiheit beschlossen hat, rät deshalb Rechtsanwalt Prof. Maslaton, der auch Landesvorsitzender des Bundesverbandes Windenergie in Sachsen ist, allen Bauherren zur erhöhten Vorsicht: „Lassen Sie sich gründlich rechtlich beraten, wenn Sie eine Solarenergie- oder Kleinwindkraftanlage errichten wollen. Oder wenden Sie sich zumindest an Anlagenbauer, die sich mit allen Baurechtsfragen auch wirklich auskennen!“
Quelle & Rückfragen:
Prof. Dr. Martin Maslaton, Tel.: 0341/149500, Mail: martin@maslaton.de, Internet: www.maslaton.de